setsubun – Von Dämonen und Bohnen - japanliebe.de (2025)

In meiner Heimatstadt wird jährlich am unsinnigen Donnerstag der Winter ausgetrieben, indem eine Strohpuppe verbrannt wird. Auch in Japan gibt es einen ähnlichen Brauch zum Wechsel der Jahreszeiten, wenn der kalte Winter verabschiedet und der milde Frühling begrüßt wird. Je nach Jahr feiert man am 2.–4. Februar dort setsubun, was allerdings kein gesetzlicher Feiertag ist. Dabei geht es etwas humaner als in meiner Heimat zu, verbrannt wird hier niemand. Stattdessen drückte meine Lehrerin an der Sprachschule mir bei meinem ersten setsubun plötzlich ein Päckchen mit gerösteten Sojabohnen in die Hand. Ich staunte nicht schlecht. Was es mit den Bohnen genau auf sich hat und was sie mit Dämonen zu tun haben, erzähle ich heute.

setsubun – der Tag der Trennung der Jahreszeiten

setsubun 節分 bedeutet wortwörtlich übersetzt die Trennung der Jahreszeiten. Hm, Anfang Februar ist doch aber nicht Frühlingsanfang, denkst du vielleicht. Doch das Datum richtet sich nicht nach dem meteorologischen Kalender, wie wir ihn kennen, sondern basiert auf dem chinesischen Mondkalender. Dieser galt in Japan vor Einführung des westlichen, gregorianischen Kalenders.

Nach dem Mondkalender war das Jahr in 24 Einheiten sekki 節気 unterteilt, die jeweils in etwa 15 Tage dauerten, und eine genauere Bestimmung der Jahreszeit erlaubten. Auf die große Kälte daikan 大寒 Ende Januar folgte mit risshun 立春 der erste Tag des Frühlings. setsubun markiert also traditionell das Ende der großen Kälte und somit den Beginn des neuen Jahres.

Dämonen und Bohnen

In der Gegend, aus der ich komme, gibt man dem Winter die Gestalt einer Strohfigur. In Japan sind es gehörnte Dämonen, sogenannte oni 鬼, die an setsubun ihr Unwesen treiben. Und was hilft gegen Dämonen? Du denkst es dir bestimmt schon, genau, geröstete Sojabohnen.

Dabei ist wichtig, dass man geröstete Bohnen und nicht etwa rohe Bohnen verwendet. Letztere würden den oni nur stärken. Aber wie sieht dieses „verwenden“ nun aus? Sehr spaßig, der Dämon wird nämlich mit aller Kraft mit den Bohnen beworfen. Dieses Bohnenwerfen nennt sich mamemaki 豆まき und beruht auf einer Geschichte, bei der eine Frau einen angriffslustigen oni vertrieb, indem sie ihn mit dem Erstbesten bewarf, das ihr in die Hände kam: geröstete Sojabohnen.

Die Bohnen gibt es Ende Januar/Anfang Februar in jedem japanischen Supermarkt zu kaufen und kommen zum Teil gebündelt mit einer Dämonenmaske. Ein tapferes Mitglied der Familie oder im Kollegenkreis setzt diese auf und stürmt ins Haus oder Büro, um sich dann mit geworfenen Bohnen wieder vertreiben zu lassen.

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Während im Klassenzimmer meiner Sprachschule damals eine wilde Bohnenschlacht entbrannte, machen die Japaner zu Hause es oft so, dass nur einer die Bohnen wirft. Entweder das Familienoberhaupt oder ein Familienmitglied, das im selben Tierkreiszeichen geboren wurde wie im aktuellen Jahr. 2022 wäre das also jemand, der im Jahr des Tigers auf die Welt kam. Es muss auch nicht unbedingt im Haus eine Sauerei veranstaltet werden. Es geht ebenso die Bohnen aus der Haustür hinaus zu feuern und die Tür danach fest zuzuknallen.

Oder man feiert setsubun an Tempel oder Schrein, wo je nach Gegend Priester oder Persönlichkeiten aus Politik, Sport oder Medien stellvertretend für alle die Bohnen werfen.

Das wichtigste ist aber, dass dabei immer eins gerufen wird: Oni wa soto, fuku wa uchi. 「鬼は外、福は内」„Raus mit den Dämonen, herein mit dem Glück!“

Bohnen und Sushirollen für ein langes, glückliches Leben

Wir hatten also alle wie verrückt mit Bohnen geworfen…und dann? Wer macht das Ganze wieder weg? Das Aufräumen danach ist Gott sei Dank ein Selbstläufer. Die Tradition verlangt nämlich, dass man nach dem Werfen die gerösteten Sojabohnen isst. Und zwar so viele, wie man gerade alt ist. Und noch eine mehr. So sollen sie eine lebensverlängernde Wirkung haben. Lecker sind sie ganz nebenbei gesagt auch noch.

Durch diese Tradition werden vielerorts alternativ Erdnüsse in der Schale geworfen. Die Erdnuss hat zwar im deutschen die „Nuss“ im Namen, streng gesprochen handelt es sich aber um eine Bohnenart. Und diese lässt sich besonders leicht wieder aufsammeln und ohne hygienische Bedenken verzehren.

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Und noch etwas essen über die Hälfte aller Japaner an setsubun: eine dicke, lange Sushirolle namens ehōmaki 恵方巻. Sie enthält sieben Zutaten für die sieben Glücksgötter und beim Essen muss einiges beachtet werden:

  1. Die Rolle darf vorab nicht, wie sonst bei Sushi üblich, in stäbchengerechte Häppchen geschnitten werden. Man isst sie am Stück ohne abzusetzen.
  2. Während dem Essen wird nicht gesprochen.
  3. Man isst die ehōmaki in die glücksbringende Himmelsrichtung des Jahres. 2022 ist dies Nord-Nordwest

Während das Bohnenwerfen vermutlich auf die Muromachi-Zeit (1336–1573) zurückgeht, sind die ehōmaki-Sushirollen erst seit den 90er Jahren in ganz Japan verbreitet. Der Brauch stammt aus der Gegend um Ōsaka und wurde erst durch Marketing-Kampagnen von Convenience Stores wie Seven Eleven landesweit bekannt. Und das hat sich gelohnt. Heute ist der Verkauf von ehōmaki ein großes Geschäft.

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Heutzutage unüblich ist der Brauch, Sardinenköpfe auf einen Stechpalmenzweig zu spießen und an der Haustür zu befestigen. Dieser Talisman nennt sich hiiragi iwashi 柊鰯. Alternativ wurden die Fischköpfe oder andere übelriechende Lebensmittel verbrannt, um Dämonen durch den Geruch fern zu halten.

Das heutige Bild zeigt dir sehr vieles von dem, was ich dir zu setsubun erzählt habe: jede Menge gerösteter Sojabohnen, Dämonenmasken und im Frischeregal dahinter ehōmaki-Rollen.

Hattest du von diesem Fest schon einmal gehört oder es sogar schon selbst in Japan miterlebt?

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